Wir haben uns im Vorfeld der anstehenden Bundestagswahl gefragt, welche Wahlempfehlung wir unseren Mitgliedern, Freund*innen und Bündnispartner*innen geben sollen.
Dazu haben wir die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien bzw. ihre Vertreter*innen zu folgenden Punkten befragt:
Uns ist es bei der Wahlentscheidung besonders wichtig, dass die gewählten Parteien die Rechte von Sexarbeiter*innen vertreten und keine repressiven Gesetze zur Bevormundung und Stigmatisierung von Prostituierten verabschieden.
Die Antworten der einzelnen Parteien:
Für die SPD ist „freiwillige (!) Sexarbeit eine reguläre berufliche Tätigkeit bzw. Dienstleistung“. Sie erhofft sich durch das neue ProstSchG bessere Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen: „Die im Prostituiertenschutzgesetz geregelte Erlaubnispflicht sorgt für mehr Schutz für die Prostituierten. (…) Auch wenn die SPD Kompromisse eingehen musste, hat sie Regelungen verhindert, welche die Arbeit von SexarbeiterInnen nicht verbessert, sondern verschlechtert hätten.“
Laut der CDU und CSU „war es ein wichtiges frauenpolitisches Anliegen, endlich die menschen-unwürdigen Bedingungen in der Prostitution und den Menschenhandel zu bekämpfen.“ Den Christdemokraten zufolge wurde mit dem am 01.07.2017 in Kraft getretenen ProstSchG „ein erheblicher Fortschritt im Hinblick auf das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Gewaltfreiheit“ erlangt. Ziel des Gesetzes sei es „Menschenhandel, Ausbeutung und Fremdbestimmung in der Prostitution zu verhindern“.
Die Union hat hier eine sehr klare Haltung. Jeder Mensch verdiene Respekt, unabhängig von seiner Arbeit. Jedoch sagt sie „dass viele in Deutschland tätigen Prostituierten nicht oder teilweise nicht selbstbestimmt dieser Arbeit nachgehen“.
Laut der Partei Bündnis 90/Die Grünen folgt das neue ProstSchG einem falschen Ansatz: „Wir haben uns gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen, da wir ihn für kontraproduktiv halten. (…) Es geht nicht um den Schutz der Prostituierten, sondern um Kontrolle, Entmündigung und Fortsetzung ihrer Stigmatisierung.“ Die Grünen „wollen die Rechte und den Schutz von Frauen und Männern, die in der Prostitution arbeiten, durchsetzen und stärken.“ Dazu wollen sie „freiwillige Beratungs-angebote stärken und finanziell unterstützen.“
DIE LINKE hat gegen das ProstSchG gestimmt, „weil es die Sexarbeiter*innen nicht stärkt, sondern Probleme, die es durchaus im Bereich der Prostitution gibt, in die Unsichtbarkeit der Illegalität schiebt, wo Rechte und Schutz nicht gewährleistet werden können. (…) Entgegen der proklamierten Ziele schafft es weder Grundlagen für verträgliche Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz, noch bekämpft es Kriminalität in der Prostitution“. Die Partei spricht sich für die Stärkung der Rechte und Verbesserung der sozialen Situation von SexarbeiterInnen aus: „Prostituierte oder Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter brauchen so starke Rechte, dass ein Zwang unmöglich wird.“
Gregor Gysi (DIE LINKE) spricht sich für die gesellschaftliche und soziale Anerkennung von Sexarbeiter*innen aus: „Stets habe ich mich für die Sozialversicherung einschließlich einer Rentenversicherung eingesetzt. Dem Prostituiertenschutzgesetz habe ich nicht zugestimmt, weil es zu beanstandende Regelungen gibt. Niemand darf eine Volljährige an Sexarbeit hindern und niemand darf eine Volljährige dazu zwingen. Das ist selbstverständlich. Bis zur Anerkennung der Sexarbeiterinnen als völlige Gleichberechtigung wird noch ein weiter Weg zurückzulegen sein.“
Hier gibt es eine Übersicht aller Bundestagsabgeordnetender Parteien, die auf unsere Wahlprüfsteine geantwortet haben: Übersicht Rücklauf Wahlprüfsteine
Unser Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass von den aktuell im Bundestag vertretenen Parteien nur die Parteien Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE für eine Politik eintreten, die Rechte für Sexarbeiter*innen anstatt Repression fordert.
Diese beiden Parteien sind auch die Einzigen, die Sexarbeit als Thema überhaupt in ihren Wahlprogrammen erwähnen. Das von der aktuellen großen Koalition aus SPD und CDU/CSU verabschiedete „Prostituiertenschutzgesetz“ ist eine Farce und bietet keinen Schutz, sondern nur Kontrolle und Stigmatisierung.
Wir lehnen diese Gesetz ab und empfehlen, bei der Bundestagswahl eine Partei zu wählen, die für die Rechte von Sexarbeiter*innen eintritt anstatt repressive Kontrollgesetze verabschiedet.
Unsere Forderungen gehen jedoch noch viel weiter und wir erwarten, dass eine zukünftige Regierung Sexarbeiter*innen bei allen Entscheidungen und Gesetzen, die uns betreffen, in den Entscheidungsprozess einbeziehen.
Einige unserer Forderungen:
- Abschaffung des „Prostituiertenschutzgesetzes“ und aller anderen diskriminierenden und kriminalisierenden Gesetze gegen Sexarbeit, wie z.B. Sperrgebietsverordnungen
- soziale Gerechtigkeit und die Gleichstellung von Sexarbeit mit anderen Erwerbstätigkeiten, besserer Zugang zu Krankenversicherung und anderen Sozialleistungen
- Förderung von Empowerment und Peer-Education – von Sexarbeiter*innen für Sexarbeiter*innen
Hier geht es zu Teil 1 unserer Wahlempfehlung für die Bundestagswahl: Analyse der Wahlprogramme